Die Vertreter der DSTG Sachsen – Anhalt treffen sich bei der Fotowand, Frau Helene Wildfeuer, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung begrüßt jeden persönlich und dann wird das Foto geschossen.
Die fast 300 weiteren Teilnehmern/innen erwartete an diesem Tag ein themenreiches Fachforum mit Vorträgen und Diskussionen. Ich war gespannt.
10 Uhr:
„ Meine Herren und Damen“ – Frau Helene Wildfeuer begrüßte uns alle mit den Worten, mit denen am 19.02.1919 auch die erste Parlamentarierin Frau Marie Juchacz die Mitglieder der Weimarer Nationalversammlung begrüßt hatte.
Und trotz der nunmehr vergangenen über 100 Jahren bekommen Frauen noch immer 21 % weniger Gehalt als die Männer, sind kaum in den Vorständen und Aufsichtsräten vertreten; führt dies zu einem ungleichen Zugang zu Geld / Vermögen.
Die Umsetzung der Gleichstellung der Frauen ging in diesen 100 Jahren mit damenhaft kleinen Schritten voran und steht mittlerweile auf der Kippe.
Mit diesem Hinweis – auch an die Politik – gibt sie das Wort an Frau Juliane Seifert, Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend weiter. Diese verweist auf das im Koalitionsvertrag verankerte „Füpo“-Gesetz, das gleichberechtigte Teilhabe gewährleisten soll. „Frauen können alles“ – dies sei sowohl als Tatsache als auch als Forderung zu sehen. Arbeit muss zum Leben und zur Lebensphase passen, gerade mit dem digitalen Wandel sollte mobile und flexible Arbeit ermöglicht werden und möglich sein. Gerade davon würden insbesondere Frauen partizipieren, deren Arbeit in Vereinbarung zur Familie und / oder Pflege stehe und deren Arbeitsleistung gerade in dieser Hinsicht noch unentgeltich erbracht wird.
Apropos digitaler Wandel – über slido.com waren wir Teilnehmer untereinander vernetzt; konnten während der Veranstaltung direkt Meinungen und Standpunkte (Wo seht ihr dringenden Handlungsbedarf?) kommunizieren und bei der nachmittäglichen Diskussionsrunde „mitreden“.
11 Uhr:
– Impuls II – Frau Dr. Ulrike Spangenberg vom Institut für gleichstellungsorientierte Prozesse und Strategien sprach über „Gleichstellung steuern über das Steuerrecht – Was brauchen wir?“. Als Finanzbeamte war ich neugierig auf den Beitrag – sind doch die Steuergesetze für Mann und Frau gleich. Oder?
Einleitend bestärkte Frau Spangenbeerg die Arbeit der Steuerbeamten, denn „Steuern ermöglichen Gleichstellung“, da in Krisenzeiten insbesondere bei sozialen Leistungen gekürzt wird. Verhinderung von Steuerverkürzungen und Steuerhinterziehungen führen über Umverteilungswege zu mehr Gleichstellung.
Vergünstigungen über Steuergesetze kritisierte sie, diese sind eben nicht geschlechterneutral, gerade Männer mit hohen Einkommen profitieren besonders von diesen (25 % Kapitalertragssteuern, Freistellung höherer Rentenbeiträge etc.). Zudem wirken Verkehrssteuern für die Gesamtsteuerbelastung („Wal“- Grafik) der Progression der Einkommensteuer entgegen und übersteigen diesen Steuervorteil bei Menschen mit geringem Einkommen überproportional.
Besonders interessant und bedenkenswert fand ich die Aussagen zu dem – auch für mich bisher als positiv empfundenen – Splittingtarif. Insbesondere Frauen wählen die Steuerklasse 5 , ihre ohnehin niedrigeren Gehälter (z.B. durch Teilzeit während der Kindererziehung) werden mit mehr Steuern belastet, wodurch der Nettoverdienst noch geringer ausfällt. Anerkennung durch eine leistungsgerechte Bezahlung fehlt, eine Motivation, wieder mehr ins Arbeitsleben einzusteigen fehlt – für das bisschen Geld, lohne es sich nicht- .
Dies führt zu Einbrüchen im Erwerbsverlauf aber auch bei den Sozialleistungen. Bemerkenswert, dass dieser Splittingtarif zu einer Steuerumverteilung von Ost nach West führt.
Frau Spangenberg und in den folgenden Gesprächen auch andere Veranstaltungsteilnehmer forderten daher die Abschaffung der Steuerklasse 5, eine bessere Kommunikation des Faktorverfahrens, das eine leistungsgerechte Steuerverteilung der arbeitenden Ehegatten ermöglicht.
Andere Beispiele der Geschlechterungleichbehandlung (u.a. Vermögenssteuer, Anerkennung Ehrenamt) folgten und verdeutlichten, Deutschland ist hinsichtlich der Steuergesetzgebung eines der rückständigsten Länder. Viele Gesetze wurden hinsichtlich der Geschlechtergerechtigkeit bereits geändert, nur das Steuerrecht nicht, hier hat auch Deutschland von der EU einen entsprechenden Auftrag erhalten. Als Vorbild wurden Schweden und Österreich genannt.
13 Uhr:
Frau Prof. Dr. Silke Laskowski vom Institut für Wirtschaftsrecht der Universität Kassel referiert über „Frauen machen Politik – Wege zur Parität in der Politik“.
Interessant waren die Statements, was ist das Volk, wer kann es vertreten. Wie kann ein Gesetz für die Frauen mit einer 2/3 Mehrheit umgesetzt werden, wenn zu wenige Frauen überhaupt zur Abstimmung da sind. So werden Gesetze von Männern für diese gemacht.
In die Parlamente müssen daher mehr Frauen, damit sie „dort umsetzen, was Ihnen zusteht“. Sie kritisiert die Direktmandate und schlägt statt einem Kandidaten ein Kandidatenteam (wie z.B. in Brandenburg) vor.
In der anschließenden Diskussion ging es auch um die Gleichstellung in den Behörden, die auch dort keine wirkliche sei und um die Frage der Quotierung. Auch für mich musste ich erkennen, dass eine Quotenregelung erst abgeschafft werden kann, wenn die Quote überhaupt erst einmal erreicht ist. Alle Diskussionsteilnehmer forderten – teilweise entgegen ihrer früheren Meinung – Quoten und forderten insbesondere auch junge Frauen auf, diese zu vertreten. Denn solange Männer hinter den Kriterien zur Einstellung, zur Beurteilung, zur Beförderung … stehen , solange sind auch diese Kriterien männlich bestimmt. Erst bei einer erreichten Frauenquote werden diese Kriterien geändert und können somit zu Parität führen.
Nicht die Frauen müssen sich ändern, um männlichen Kriterien zu entsprechen, sondern die Spielregeln.
In ihrem Schlusswort mahnte Frau Wildfeuer eine stärkere Vernetzung und Solidarität der Frauen an (Männer können das) und rief zu weiterem Engagement auf. Sie verabschiedete uns mit den Worten „Was ihr uns liefert, versuchen wir umzusetzen, also liefert!“. Es geht auch da noch mehr!
16 Uhr:
– Ende einer interessanten – auf ihre Weise spannenden – und auf jeden Fall bedenkenswerten Veranstaltung.
Ich freue mich auf die Fachtagungsbroschüre.
Katrin Prause